Ärzte dürfen Hilfsmittel ab sofort auch per Videosprechstunde und nach Telefonkontakt verordnen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu ist kürzlich ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in Kraft getreten. Auch die Hilfsmittelversorgung von Versicherten mit komplexen Behinderungen soll durch den Beschluss verbessert werden.
Für die ärztliche Verordnung per Videosprechstunde und nach telefonischem Kontakt hat der G-BA in der Hilfsmittel-Richtlinie mehrere Voraussetzungen festgelegt.
Demnach muss der Arzt den Patienten und seinen Gesundheitszustand bereits aus unmittelbar persönlicher Behandlung kennen – einschließlich funktioneller / struktureller Schädigungen und alltagsrelevanter Einschränkungen der Aktivitäten und Teilhabe. Auch darf die Erkrankung eine solche Verordnung nicht ausschließen.
Die Verordnung per Video oder nach Telefonkontakt ist nicht auf Folgeverordnungen beschränkt und durch eine ärztliche Kollegin oder einen ärztlichen Kollegen möglich, sofern gemeinsam auf die Patientendokumentation zugegriffen wird. Die Authentifizierung der Patienten ist in jedem Fall sicherzustellen.
In Ausnahmefällen ist die ärztliche Hilfsmittel-Verordnung auch nach Telefonkontakt zulässig. Und zwar ausschließlich dann, wenn der aktuelle Gesundheitszustand bereits im persönlichen Kontakt oder per Videosprechstunde erhoben wurde und keine weiteren verordnungsrelevanten Informationen zu ermitteln sind.
Kostenpauschale 40128 ab Juli berechnungsfähig
Nach der Verordnung per Video oder Telefon ist es erforderlich, dem Patienten das Hilfsmittel-Rezept (Muster 16) zuzusenden. Um die Abrechnung der Kosten zu ermöglichen, hat der Bewertungsausschuss die im EBM vorhandene Kostenpauschale 40128 (Kostenpauschale für die postalische Versendung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder einer Verordnung an den Patienten) mit Wirkung zum 1. Juli 2025 angepasst.
Versicherte mit komplexen Behinderungen
Mit dem gleichen Beschluss will der G-BA die Hilfsmittelversorgung für gesetzlich Versicherte mit komplexen Behinderungen verbessern. Dazu hat er mehrere Klarstellungen in der Hilfsmittel-Richtlinie vorgenommen.
Werden Hilfsmittel aufgrund einer Behinderung für die möglichst selbständige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben benötigt, so dürfen Ärztinnen und Ärzte diese zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnen und die Kosten werden übernommen. Allerdings gelten Ausnahmen, etwa bei vorrangigen Leistungen zur sozialen Teilhabe oder Teilhabe am Arbeitsleben.
Der G-BA hat in der Hilfsmittel-Richtlinie klargestellt, dass die Krankenkasse die Voraussetzungen und Anforderungen für den Leistungsanspruch zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung in jedem Einzelfall prüft. Sollten andere Sozialleistungsträger zuständig sein, wird die Verordnung direkt durch die Krankenkasse weitergeleitet. Dadurch sollen Unsicherheiten bei den verordnenden Ärztinnen und Ärzte minimiert werden.
Ergänzende Hinweise auf der Verordnung
Es wurde außerdem klargestellt, dass sich Ärztinnen und Ärzte bei der Verordnung von Hilfsmitteln nicht auf Formular 16 beschränken müssen. Sie dürfen konkretisierende Unterlagen beilegen, sofern diese für die Genehmigung der Krankenkassen oder Begutachtung des Medizinischen Dienstes (MD) hilfreich sein können.
Außerdem wurden Hinweise ergänzt, welche weiteren medizinischen Angaben relevant sind, um eine funktionsgerechte und zweckmäßige Auswahl des Hilfsmittels durch den Hilfsmittelversorger zu unterstützen (siehe Infobox).
Insbesondere bei spezifischen Bedarfen von Versicherten mit komplexen Behinderungen können zusätzlich Angaben Rückfragen vermeiden und Entscheidungsprozesse erleichtern.
Klarstellung zu Rechten und Pflichten des Medizinischen Dienstes
Ferner hat der G-BA in seiner Richtlinie klargestellt, dass Gutachter des MD nicht berechtigt sind, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der gesetzlich Versicherten einzugreifen. Auch wurden die weiteren gesetzlichen Regelungen zur Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen und MD sowie den Rechten und Pflichten aller Beteiligten bei der Hilfsmittel-Begutachtung zusammengefasst (siehe Infokasten).
Gesetzliche Verbesserung auch durch das GSVG
Durch das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) gab es zum 1. März 2025 bereits Verbesserungen bei der Versorgung mit Hilfsmitteln für Versicherte, die in einem Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) oder in einem Medizinischen Behandlungszentrum (MZEB) für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen behandelt werden.
Hier gilt: Wird von einem SPZ oder MZEB ein Hilfsmittel empfohlen, dann haben die Krankenkassen davon auszugehen, dass es medizinisch erforderlich ist, weshalb eine Einbindung des MD in das Genehmigungsverfahren entfällt.