Einer der Höhepunkte des 4. Nürnberger Wundkongresses mit einem neuen Rekord von über 1400 Teilnehmenden war die interprofessionelle Round Table-Diskussion zum brisanten Thema „Gesetzliche Grundlagen zum Wirkungsnachweis von innovativen Wundauflagen“. Die Umsetzbarkeit dieser Verordnung und ihre Bedeutung für die zukünftige Wundversorgung wurden in einer hochkarätigen Expertenrunde aus verschiedenen Perspektiven problematisiert.
400 Produkte, die schwer ersetzbar sind
Dr. Thomas Karl, Bad Friedrichshall, beschrieb eindringlich das Problem, innerhalb der Frist von zwei Jahren die geforderten Evidenz- und Wirksamkeitsnachweise für mehrere hundert verschiedene Wundauflagen zu erbringen, damit diese weiterhin erstattungsfähig bleiben: „Wir steuern auf eine Situation zu, die extrem unangenehm wird. Es geht um 400 Produkte, die schwer ersetzbar sind.“ Deren Wirksamkeit in randomisierten Studien bis Ende 2023 nachzuweisen, sei nicht möglich, wie Dr. Cornelia Erfurt-Berge, Erlangen, hervorhob: „Zwei Jahre sind zu wenig!“ Prof. Dr. Manfred Storck, Karlsruhe, wies in seinem ausführlichem Impulsreferat darauf hin, wie schwierig es ist, Patienten für randomisierte Studien in der Wundbehandlung zu rekrutieren, und auch den bisher vom Gemeinsamen Bundesausschuss vorgegebenen Endpunkt ‚Primäre Wundheilung nach 90 Tagen‘ um andere Endpunkte zu erweitern. „Auch prospektive Registerstudien können eine gute Evidenz zur Effektivität von Wundauflagen, Klasse III, liefern. Ansonsten werden diese Produkte einfach vom Markt verschwinden, trotz vorhandener therapeutischer Wirksamkeit in bestimmten Phasen der Wundheilung.“
Vor dem Hintergrund, dass in der der Schweiz längst Biologicals erstattet werden, was „bei uns noch lange nicht in Sicht“ sei, erschien es Prof. Dr. Joachim Dissemond, Essen, als „richtig und gut, Evidenz zu realisieren“. Allerdings müssten die Spielregeln klar sein: „Habe ich nach der Studie eine Zulassung für ein Produkt? Oder für alle chronische Wunden?“ Die Diskussion machte deutlich, dass noch viele Fragen geklärt werden müssen. Etwa die Frage der möglichen Evidenzlevel. Oder das große Dilemma in der Studienlandschaft, dass das „real life“ doch sehr unterschiedlich ist: Wenn eine Vielzahl von Wundpatienten ausgeschlossen werde, nur um ein gutes Studienmodell zu gewinnen, sei das Ergebnis in der Praxis nicht praktikabel. Grundsätzliche Bedenken gab es, weil gerade in der Wundtherapie vieles nicht durch Studien belastbar sei. Zudem sei ein adaptives Studiendesign, das zwischenzeitlich die Fragestellung ändert, in kleinen Studien nicht durchführbar.
Prof. Dr. Matthias Augustin, Hamburg, regte das Durchführen von gemeinschaftlichen Studien an, um die Wirkprinzipien der Wundauflagen unter Beweis zu stellen und dabei auch sekundäre Endpunkte zu bestimmen wie zum Beispiel Geruchsreduktion, geringere Hospitationsrate und Lebensqualität: „Insofern würde ich alle ermutigen, als Fachgesellschaft mehr Statur zu zeigen und das selbst mit in die Hand zu nehmen!“ Vielleicht auch in einer Meta-Analyse, in der verschiedene Gruppen zusammen untersucht werden könnten, etwa unter der Fragestellung, welche silberhaltigen Präparate verschiedener Hersteller bei welcher Diagnose sinnvoll einzusetzen sind.
Ab 2023 keine Innovationen in der Wundbehandlung mehr?
Einigkeit herrschte, dass die notwendige Evidenz auch mit Unterstützung der herstellenden Industrie geschaffen werden müsste: „Sonst werden wir ab 2023 keine Innovationen in der Wundbehandlung mehr erleben“, wie Prof. Dissemond befürchtete. Frau Prof. Dr. Ewa Klara Stürmer gab zu bedenken, dass die Hersteller sich nicht zu vergleichenden Studien bereit erklärten, während Wirkungsnachweise etwa mit einem In-vitro-Schnelltest schnell durchführbar seien. Die nationalen Wundexperten seien aufgefordert, die möglichen Anforderungen für den GBA neu zu definieren.
Prof. Augustins Resümee, „das wird auf Registerlösungen hinauslaufen, die in der Zuverlässigkeit nicht schlecht sind“, endete mit dem Ausblick auf „pragmatischen Studien zur Neuregulation der Wundauflagen, in der wir Bewährtes behalten können“. So zeichneten sich in der überaus spannenden Diskussion, wie der Spagat zwischen gesetzlichen Auflagen und Wirkungsnachweis gelingen kann, erste Schritte der Experten ab, die verbleibende Zeit für ein gemeinsames Vorgehen zu nutzen.
Ausblick auf den WUKO 2022
Eine Fortsetzung der spannenden Diskussionen beim WUKO 2021 ist mit neuen Anregungen in allen Bereichen beim 05. Nürnberger Wundkongress 2022 zu erwarten, zu dem Frau Prof. Dr. Ewa Klara Stürmer als Kongresspräsidentin sehr herzlich ins Messezentrum Nürnberg einlädt.
Weitere Informationen sind auf der Kongress-Homepage www.wuko2022.de abrufbar.
pi Conventus Congressmanagement & Marketing GmbH, 10.01.2022. via lifePR