Weite Felder der Behandlung von chronischen Wunden sind unerforscht. Evidenzlücken lassen sich aber auch für die Kategorie „sonstige Produkte“ mit aktiver Wirkung schließen.
Chronische Wunden heilen aufgrund einer Heilungsstörung nur sehr langsam oder gar nicht. Ursache dafür können Infektionen sein, Durchblutungsstörungen oder auch chronische Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus. Krankenkassendaten zeigen, dass in Deutschland ca. 800 000 Menschen mit einer chronischen Wunde und deshalb mit erheblichen und langfristigen Einschränkungen leben.
Wundbehandlung ist komplex und es stehen zahlreiche Therapieoptionen zur Verfügung. Aussagekräftige klinische Studien und darauf aufbauende evidenzbasierte Therapieempfehlungen fehlen jedoch größtenteils. Weite Felder der Wundbehandlung sind unerforscht und patientenberichtete Endpunkte und Nebenwirkungen werden in der Studienplanung nicht ausreichend berücksichtigt.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) eine wissenschaftliche Ausarbeitung zu klinischen Studien in der Wundbehandlung erstellt. Diese gibt konkrete Empfehlungen zur Planung, Durchführung und Bewertung von Studien zur Behandlung chronischer Wunden und auch zur Bewertung bereits laufender oder abgeschlossener Studien. Damit liefert sie Herstellern grundlegende Anforderungen für den strukturierten Nutzennachweis.
Das IQWiG beschreibt in seinem Rapid Report nicht nur Wundtypen und die patientenrelevanten Endpunkte, sondern bewertet darüber hinaus auch die methodischen Instrumente (z. B. Fragebögen), mit denen diese Endpunkte in klinischen Studien erhoben werden
„Unser Rapid Report gibt klare Empfehlungen, wie sich aussagekräftige Evidenz im Therapiegebiet Wundbehandlung generieren lässt. Hochwertige klinische Studien sind für die gute Versorgung von Patientinnen und Patienten mit chronischen Wunden unverzichtbar – und machbar“, sagt Philip Kranz, Bereichsleiter im IQWiG-Ressort Arzneimittelbewertung.
Gute Studien mit den richtigen Endpunkten sind möglich – und nötig
Für Patientinnen und Patienten hat der vollständige Wundverschluss, also das vollständige Abheilen einer Wunde den höchsten Stellenwert, ist deshalb das primäre Behandlungsziel und damit ein patientenrelevanter Endpunkt für jede klinische Studie zur Wundbehandlung. Wie relevant die Lebensqualität ist, wurde auch in den Betroffenengesprächen deutlich, die das IQWiG während der Berichterstellung führte, um einen Eindruck davon zu gewinnen, wie die Betroffenen mit chronischen Wunden leben, welche Therapieerfahrungen sie gemacht haben und was sie sich von einer Behandlung wünschen: Schmerzen durch chronische Wunden und deren Folgen, beispielsweise Mobilitätseinschränkungen, Schlafstörungen, erschwerte Körperhygiene oder verminderte Nahrungsaufnahme, beeinträchtigen die Lebensqualität erheblich.
In Studien zur Behandlung chronischer Wunden werden allerdings viele Endpunkte erhoben, die nicht (eindeutig) patientenrelevant sind, und oft wird der partielle Wundverschluss als Ersatzparameter (Surrogat) für einen vollständigen Wundverschluss erhoben. Wie das IQWiG festgestellt hat, ist dieser Ersatzparameter jedoch nicht validiert. Nichtsdestotrotz kann in manchen Situationen auch der partielle Wundverschluss eine deutliche Verbesserung der Lebenssituation für die Patientinnen und Patienten bedeuten – aber nur, wenn diese Verbesserung spürbar und messbar ist. Allein die Verkleinerung einer Wundfläche begründet noch keinen Nutzen, wohl aber wenn sich z. B. die gesundheitsbezogene Lebensqualität und die Aktivitäten des täglichen Lebens dadurch verbessern. Mit der Kopplung an mindestens ein unmittelbar patientenrelevantes Ereignis kann also auch der partielle Wundverschluss ein patientenrelevanter Endpunkt in klinischen Studien sein.
Die Behandlung chronischer Wunden zielt darauf ab, Symptome zu bessern, Aktivitäten des täglichen Lebens zu erleichtern, soziale Teilhabe zu fördern und die gesundheitsbezogene Lebensqualität zu verbessern. Deshalb sollten klinische Studien den Nutzen einer Therapie stets anhand dieser patientenrelevanten Endpunkte nachweisen. Bisher erfassen sie diese jedoch nur selten.
Der Rapid-Report
pi Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), 09.05.2025