Die „sonstigen Produkte zur Wundbehandlung“ (sPW), die einer Nutzenbewertung unterliegen sollen, um weiterhin als Kassenleistung verordnungsfähig zu sein, sind mittlerweile seit Jahren ein Endlosthema. Klinische Studien der Hersteller sollen den Nutzen belegen. Die Hersteller haben allerdings ein Problem: Aktuell sind in der Praxis des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) immer noch keine auf die Wundversorgung angepassten Evidenzkriterien für die erstattungsrelevanten Nutzennachweise definiert. Es könnte also sein, dass die Übergangsfrist noch ein weiteres Mal verlängert wird, bzw. werden muss.
Empfehlungen einer Expertengruppe
Bei klinischen Studien zur Wundversorgung können auch eine Reduktion der Wundfläche oder eine Verbesserung der Lebensqualitäts-Aspekte wie Schmerzreduktion zur künftigen Nutzenbewertung herangezogen werden. Das ist Teil der Empfehlungen einer interdisziplinären AutorengruppeExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab. mit Fachexpertise in der klinischen Wundbehandlung. Die Empfehlungen zur Konzeption geeigneter Studien wurden in der Fachzeitschrift „Münchner Medizinische Wochenschrift MMW – Fortschritte der Medizin“ (2024; 166 S5: 17–26Externer Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.) publiziert. „Das ist ein wichtiger Schritt, um spezielle Wundprodukte auch in Zukunft medizinischem Personal und Menschen mit chronischen oder komplexen Wunden in der ambulanten Versorgung zur Verfügung stellen zu können. Der Gemeinsame Bundesausschuss sollte diese Expert:innenempfehlung in seinen anstehenden Entscheidungen berücksichtigen“, so Dr. Marc-Pierre Möll, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed).
Hintergrund der Empfehlungen ist, dass aufgrund neuer gesetzlicher Vorgaben sPW einen therapeutischen Nutzen durch klinische Studien nachweisen müssen, wenn sie weiterhin durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) im nicht stationären Bereich erstattet werden wollen. Bei klinischen Studien wurden bislang Studien der höchsten Evidenzstudie mit dem vollständigen Wundverschluss als Endpunkt gefordert.
In der neuen Empfehlung „Konzeption einer klinischen Studie zum Nachweis des therapeutischen Nutzens eines sonstigen Produktes zur WundbehandlungExterner Link. Öffnet im neuen Fenster/Tab.“ der Wundversorgungs-Expert:innen heißt es nun ergänzend: „In begründeten Fällen, z.B. bei intermediärer Anwendung im Rahmen der phasengerechten Wundtherapie chronischer Wunden, kann auch eine signifikante Reduktion der Wundfläche zur Nutzenbewertung betrachtet werden. Auch die Lebensqualität (z.B. Schmerz) kann einen Nutzen begründen und daher als primärer Zielparameter in klinischen Prüfungen erhoben werden.“
Noch eine Verlängerung der Übergangsfrist?
Aktuell wird im politischen Raum über eine Verlängerung der aktuellen Übergangsfrist für die sPW diskutiert, die im Dezember 2024 ausläuft. Denn, wie schon gesagt, sind in der Praxis des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) bislang keine auf die Wundversorgung angepassten Evidenzkriterien für die erstattungsrelevanten Nutzennachweise definiert. Der Gesetzgeber gewährte Mitte 2023 den betroffenen Verbandmittel-Herstellern ein Beratungsangebot seitens des G-BA zu sPW und den für die Nutzenbewertung erforderlichen klinischen Studien, das seit Frühjahr 2024 genutzt werden kann. Im Mai 2024 beauftragte der G-BA das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), „eine wissenschaftliche Ausarbeitung zu klinischen Studien im Therapiegebiet ‚Wundbehandlung‘ mit einer Fokussierung auf eine Bewertung der Endpunkte“ zu erarbeiten.
„Da das IQWiG für die Ergebnisse zehn Monate Zeit hat, ist der G-BA-Auftrag ein weiteres Argument für eine ausreichende Fristverlängerung durch den Gesetzgeber. Die Verbandmittel-Hersteller brauchen Klarheit über die Kriterien der Bewertung des therapeutischen Nutzens für diese neu gebildete Gruppe der ‚sonstigen Produkte zur Wundbehandlung‘. Die neue Ausarbeitung und daraus abgeleiteten Empfehlungen der interdisziplinären Gruppe von Fachexpert:innen sind hier ein großer Schritt vorwärts. Diese Ergebnisse sollten auch in die Entscheidungsfindung des G-BA einfließen und berücksichtigt werden“, so BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll.
pi BVMed, 26.08.2024