Vermeidung und Versorgung eines Dekubitus muss beim Übergang eines Patienten vom Krankenhaus in den häuslichen Bereich eine viel größere Rolle spielen. Das forderte die Pflegeexpertin und ICW-Fachtherapeutin Wunde, Silvia Mester, auf dem digitalen BVMed-Forum „Eine Stunde Wunde“ mit rund 40 Teilnehmer:innen am 7. November 2023. „Wir müssen dem Problem Dekubitus mehr Beachtung schenken – nicht nur präventiv, sondern auch, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Im Fokus muss die Druckentlastung stehen, um einen Dekubitus zu vermeiden“, so Mester.
Unter Dekubitus versteht man ein Druckgeschwür, das entsteht, wenn ständiger Druck auf bestimmte Hautareale deren Versorgung mit sauerstoffreichem Blut verhindert. Druckgeschwüre zählen zu den chronischen Wunden. Dekubitus stellt eine der größten Herausforderungen dar, mit denen sich die Medizin bei der Pflege immobiler Patienten auseinandersetzen muss. Betroffen sind in Deutschland über 600.000 Menschen. Die Auswahl des richtigen Antidekubitus-Hilfsmittels ist dabei entscheidend für eine hochwertige und zuverlässige Versorgung der Betroffenen.
Defizite beim Entlassmanagement
Defizite sieht Pflegeexpertin Mester beispielsweise beim Entlassmanagement, also dem Übergang in die Versorgung nach einer Krankenhausbehandlung. Es gebe keine klare Zuordnung der Zuständigkeit für die Behandlung des Grundproblems des entstandenen Dekubitus, der Druckentlastung. Dekubitus und andere Wunden seien zudem sehr selten im Arztbrief bei der Entlassung dokumentiert.
Zu einem guten Entlassmanagement müsse gehören, dass im Fall eines bestehenden Dekubitus die Anschlussversorgung sichergestellt sei. Dazu gehöre, dass Hilfsmittel wie Pflegebetten, entsprechende Matratzen, Sitzkissen oder Fersenschutz vor Ort in der Häuslichkeit vorhanden sind. Außerdem müssten die Patienten oder die Angehörigen im Umgang mit Hilfsmitteln angeleitet sind und eine Verordnung einer häuslichen Krankenpflege durch ein Wundzentrum oder einen spezialisierten Pflegedienst erfolgt sein.
Fehlendes Fachwissen in der häuslichen Versorgung
Probleme gebe es auch in der häuslichen Versorgung durch den Hausarzt und die Pflegefachkräfte. Hier sei das Fachwissen über die richtige Versorgung eines Dekubitus in der Therapie und die Anwendung der erforderlichen Hilfsmittel für die jeweiligen Dekubitus-Grade nicht immer vorhanden.
Durch die Änderungen in den Richtlinien häuslicher Krankenpflege habe die Notwendigkeit einer spezialisierten Wundversorgung berechtigt an Bedeutung gewonnen. „Bei vorhandenem Dekubitus ist damit aber der Fokus auf die vorrangige und wichtigste Behandlungsmaßnahme, die Druckentlastung, scheinbar in den Hintergrund gerückt. Keine dekubitale Wunde kann aber ohne individuell angepasste Druckentlastung heilen“, so die klare Botschaft von Pflegeexpertin Silvia Mester. Notwendige Hilfsmittel müssten ebenso wie die Wundversorgung der Erkrankung des Patienten und dem Ausmaß der Schädigung angepasst sein. „Vor allem aber muss eine effektive und individuelle Druckentlastung durch Bewegungswechsel dauerhaft sichergestellt sein.“
Torsten Strauß vom BVMed-Mitgliedsunternehmen Essity wies in der Diskussion darauf hin, dass das große Potenzial der bei Homecare-Versorgern und Hilfsmittel-Leistungserbringern vorhandenen spezialisierten Pflegekräften im ambulanten Bereich zu wenig genutzt werde. Diese Fachkräfte, die bereits vor Ort tätig sind und Patient:innen mit Hilfsmitteln versorgen und in die Anwendung anweisen, müssten in den ambulanten Strukturen besser eingebunden und im SGB V verankert werden.
pi BVMed, 09.11.2023. Beitragsbild: Dekubitus. user: AfroBrazilian via Wwikimedia Commons. Lizenz: CC BY-SA 3.0