Silbrige Mitgliederversammlung des Wundnetz Kiel

08.06.2012 | Mitgliederversammlung

Informationen zur 9. Mitgliederversammlung vom 05.06.2012

Das Kieler Wundnetz besteht inzwischen nun schon 3 Jahre. Und als ordentlicher Verein wurde am 05.06.12 im Kieler Hotel Atlantic die 3. ordentliche Mitgliederversammlung durchgeführt. Die ersten 6 formalen Tagesordnungspunkte mit Berichten des Vorstands um Dr. Frauke Timm, Axel Bethke und Dr. Sebastian Böhm und dessen Entlastung ohne Gegenstimme wurden erfreulich rasch abgearbeitet. So konnte nach einer Pause zu dem zweiten Teil übergegangen werden.

Wie in den inzwischen 8 vorausgegangen Mitgliederversammlungen insgesamt war der Hauptteil des Abends einem inhaltlichen Schwerpunkt zu Themen der modernen Wundversorgung gewidmet. Vor ca. 40 Mitgliedern und Interessierten referierte der Biochemiker und Mikrobiologe Thomas Keller (Fa. Smith&Nephew) aus der Schweiz über silberhaltige Wundauflagen. Lag es an dem didaktisch gut aufgebauten Vortrag, an den rhetorischen Fähigkeiten des Referenten mit Anleihen aus dem Fußball („man muss den Gegner kennen, um in zu schlagen“, gemeint waren hier Bakterien) oder an dem für norddeutsche Ohren ungewohnten weichen singenden schweizer Dialekt, die nächsten 45 Minuten sollten trotz des wissenschaftlichen Anspruches sehr kurzweilig werden.

Resistenzmechanismen der Bakterien

In einem ersten Teil erläuterte Keller die Resistenzmechanismen der Bakterien. Als im Biofilm organisierte Gemeinschaft mehrerer Spezies könne der Abwehrkampf gegen Antibiotika in drei Schritten gegliedert werden:

  1. Erkennen der Antibiotikaklasse auf molekularer Ebene, z.B. der β-Lactamring der Penicilline.
  2. Abwehren durch z.B. Degeneration der 3-D-Struktur, Blockade der aktiven Molekülregion oder Lyse.
  3. Weitersagen der Abwehrmechanismen über Plasmide, kurze, ringförmige DNA, die auch zwischen den Spezies ausgetauscht werden können. So kann z.B. eine Vancomycinresistenz von E.coli auf Staph. aureus übertragen werden, so dass entsprechend resistente VRSA entstehen können.

Silber als bakterizide Wundauflage

Im zweiten Teil ging Keller auf das Silber als bakterizide Wundauflage ein. Da es als Atom im Gegensatz zu einem Wirkstoffmolekül weder eine dreidimensionale Struktur aufweist, keine aktive Komponente besitze und nicht zerlegbar sei, sei es dem bakteriellen Abwehrsystem nicht zugänglich. Durch membrangebundene Pumpen würde Silber nicht selektiv aufgenommen und wirke in der prokaryontischen Zelle toxisch. Bereits die Römer hätten verstanden, ihren Wein durch Silberzusatz haltbarer zu machen. Im Mittelalter hätten Hildegard von Bingen und Paracelsius die medizinisch positive Wirkung von Silber beschrieben. Silber weise für Bakterien minimale bakterizide Konzentrationen auf, die z.B. für normale Staph. aureus bei 20 ppm (parts per million) und für MRSA bei 60 ppm lägen. Silber könne auf verschiedene Weise in die Wunde gebracht werden, z.B. matrixgebunden an Aktivkohle, Hydrofasern oder Hydrokolloid (niedrig dosiert um 10-20 ppm), an Schaumstoff als Träger verankert oder durch Nano-Technologie hergestellte 20 nm große Partikel (entsprechend ca. 12 Silberatomen) in einer durch ein Polyestergerüst getragenre Silberwolke. Die höchste Silberkonzentration (3000 ppm) besäße die „alte“ Wundsalbe Silbersulfadiazin, die aber die Nachteile eines okkludierenden Salbenverbandes und Nebenwirkungen durch den Sulfadiazin-Anteil aufweise.

Abschließend machte Keller in der nachfolgenden Diskussion einige Angaben über pharmakokinetische und -dynamische Eigenschaften. So könne Silber die Blut-Hirnschranke nicht überwinden. Es würde renal eliminiert. Hinweise auf eine toxische Wirkung in den Dosen der modernen Applikation bestünden nicht, da es von eukaryontischen Zellen nicht aufgenommen werden könne. Wichtig sei eine nicht zu niedrige Dosierung, wie auch schon Paul Ehrlich allgemein über Bakterien anmerkt hätte, dass man „schnell und hart zuschlagen“ müsse.

Die Anwendungsdauer solle in der Regel nicht 3 Monate überschreiten und nach 2 Wochen bereits zu einer signifikanten Besserung geführt haben. Ansonsten müsse das Therapiekonzept überdacht werden, was aber prinzipiell für alle Therapieansätze gälte.

Zum Ende der Veranstaltung gab die Vorsitzende Timm eine Vorschau auf die nächste Mitgliederversammlung im November dieses Jahres mit dem Schwerpunkt „Verbrennungen“.

Auch im nächsten Jahr sind wieder drei Mitgliederversammlungen geplant, u.a. mit Verabschiedung des Wundstandards „Obsolete Wundprodukte“. Es bleibt also spannend!

Dr. Sievert Kloehn, Kiel