Im Januar haben wir an dieser Stelle über drohende Versorgungsprobleme berichtet. Hintergrund war, dass nach Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (am 02.12.2020 in Kraft getreten) durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) nun auch die “sonstigen Produkte zur Wundversorgung” – so u.a. antimikrobielle und silberhaltige Wundauflagen – eine Nutzenbewertung durchlaufen sollen. Dabei wurde die Übergangsfrist von einem Jahr viel zu kurz gewählt und steht seitdem in der Kritik. Wegen noch laufender (oder noch gar nicht begonnener) Bewertungsverfahren werden viele Produkte zur Wundversorgung zum 03.12.2021 aus der Erstattungsfähigkeit herauskatapultiert werden. Im Abschnitt P der Arzneimittel-Richtlinie sind Verbandmittel mit antimikrobiellen Substanzen deshalb schon jetzt nicht mehr aufgeführt.

Fristverlängerung wird dringend benötigt

Im Entwurf des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) wird angedacht, die Übergangsfrist von zwölf auf 24 Monate zu verlängern. Dem Bundesrat ist das – wie uns auch – immer noch zu kurz. Er hat sich daher im Februar in einer Stellungnahme zum Gesundheitsversorgungs-Weiterentwicklungsgesetz (GVWG) für eine Verlängerung der Frist von zwei auf drei Jahre ausgesprochen.

Ebenfalls im Februar hat die medizinische Fachgesellschaft Initiative Chronische Wunden (ICW) – als stellungnahmeberechtigte Fachgesellschaft im G-BA – einen offenen Brief an den Unterausschuss Methodenbewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses versendet. Sie hat eine Liste übermittelt, die die wichtigsten, bisher nicht geklärten Fragen aus der Neudefinition der Wundbehandlungsmittel beinhaltet. 

 
In einer Pressemitteilung vom 17.02.2021 weist der ICW noch einmal ausdrücklich auf die Problematik hin und unterstreicht insbesondere die Unverzichtbarkeit von Verbandprodukten, die eine Alternative zu lokalen Antibiotika darstellen, da durch diese keine Bildung von Resistenzen provoziert werden:
Eine Reihe von Verbandmitteln mit antimikrobiellen Substanzen dürfen ab 03.12.2021 nicht mehr von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen werden. In Abschnitt P der Arzneimittel-Richtlinie vom 20.08.2020 (zuletzt geändert am 03.09.2020 – BAnz AT 01.12.2020 B4) sind die zugelassenen Wundbehandlungsmittel durch den G-BA neu definiert. Leider sind insbesondere die bisher bei infizierten und kritisch kolonisierten Wunden umfassend eingesetzten Verbandmittel mit antimikrobiellen Substanzen nicht mehr aufgeführt. Das betrifft zum Beispiel die antiseptischen Wirkstoffe Octenidin und Polyhexanid. Sie stehen damit faktisch dem behandelnden Arzt nicht mehr zur Wundversorgung zur Verfügung. Sie boten bisher eine Alternative zu lokalen Antibiotika, da durch sie keine Bildung von Resistenzen provoziert werden. Damit stellen sich den ärztlichen und pflegerischen Versorgern der aktuell geschätzten 2,7 Mio. Menschen mit Wunden pro Jahr, davon ca. 1 Mio. mit chronischen Wunden (Dauer über acht Wochen), einige Fragen. Wie können Menschen mit chronischen Wunden ab dem 03.12.2021 adäquat versorgt werden, welche Produkte übernimmt die GKV? Kommt es wieder zu einem vermehrten Einsatz von lokalen Antibiotika? Nur diese werden durch die GKV noch erstattet. Dem unsachgemäßen Antibiotika-Einsatz hatte aber bereits 2015 der damalige Gesundheitsminister Gröhe den Kampf angesagt. In seinem 10-Punkte-Plan zur Bekämpfung resistenter Erreger heißt es: „Resistente Bakterien sind als Erreger nosokomialer Infektionen besonders gefährlich, da für eine Therapie nur noch wenige, ggf. auch keine Antibiotika mehr zur Verfügung stehen. Die Entstehung von Antibiotika-Resistenzen wird durch einen unsachgemäßen Antibiotika-Einsatz beschleunigt. Konsequenzen sind längere und deutlich schwerere Krankheitsverläufe und vorzeitige Todesfälle.“

Informationen für Studien fehlen

ConvaTec sieht in seiner Pressemitteilung noch einen weiteren wichtigen Punkt: Während die einjährige Übergangsfrist langsam verstreicht, hat der G-BA noch nicht einmal Stellung bezogen, wie die Studien zur Nutzenbewertung für die “sonstigen Produkte zur Wundversorgung” überhaupt durchzuführen sind. In der Pressemitteilung heißt es u.a.:
„Leider hat der G-BA bisher noch keine Bewertungskriterien, Anträge oder sonstigen Informationen zu den geforderten Nachweisen veröffentlicht. Die Hersteller können daher auch noch gar nicht richtig tätig werden. Das ist ein unhaltbarer Zustand“, kritisierte Kuhn, Geschäftsführer der ConvaTec (Germany) GmbH. In der derzeit noch geltenden Ein-Jahres-Frist ändert sich nichts an der Versorgung mit den betroffenen Produkten. Sollten diese jedoch aus dem Angebot der gesetzlichen Krankenversicherung herausfallen, hätte das schwerwiegende Auswirkungen für Patientinnen und Patienten. „Wir warnen davor, dass die zurzeit unklare Dauer der Übergangsfrist zu Verunsicherungen und schon jetzt zur Suche nach Alternativen führen könnte. Das muss unbedingt vermieden werden“
Derzeit ist das GVWG noch nicht verabschiedet und die Übergangsfrist noch nicht abgelaufen.
 
Wir werden berichten, sobald sich etwas Neues ergibt. (wk)